Leah Bremer Weingut Tochter im Familienbetrieb

Deutschland ist die Heimat vieler Weinbaugebiete mit besten Voraussetzungen für einen edlen Tropfen. Das Kultivieren von Reben und die Herstellung von erstklassigen Weinen hat also eine lange Tradition. Viele Weingüter sind seit Jahrzehnten, gar Jahrhunderten, in Familienbesitz. Der Name und gute Ruf, die Erfahrung, die Kompetenzen und das Wissen über die Eigenheiten jeden einzelnen Weinberges werden von Generation zu Generation weitergereicht. Einen Wein herzustellen ist vielmehr Kunst als Wissenschaft. Wer also würde auf die Idee kommen, ohne fachliche Vorkenntnisse ein Weingut zu kaufen, umzukrempeln und zu bewirtschaften?

Klare Antwort: Familie Bremer aus Calw mit ihrem Weingut Bremer. Nur wenige Jahre später räumen sie die ersten Preise für ihre Weine ab. Viele hielten das für verrückt und absolut unmöglich – wir auch. Deswegen haben wir die jüngste der drei Schwestern, Leah Bremer, zum Interview getroffen. Wie man als Familie das Unmögliche möglich macht. Und welche praktischen Tipps Leah Bremer allen Weingenießern geben kann.

Drei Schwestern, die allesamt keine Berührungspunkte zur Weinbranche hatten, gründen ein Weingut. Wie kam es dazu?

Tja, wir drei Schwestern waren eigentlich alle ganz wo anders unterwegs. Ich muss aber noch etwas früher anfangen: meine Eltern haben noch ein Immobilienunternehmen, in dem meine älteste Schwester bereits arbeitete. Die mittlere Schwester, Rebecca, hat Köchin und Pâtissière in Paris gelernt und dort auch gearbeitet. Und ich war, wie sich das für einen richtigen Schwaben gehört, bei einem schwäbischen Automobilkonzern in der Online Kommunikation angestellt. Plötzlich kamen meine Eltern mit dem Weingut-Familien-Projekt um die Ecke und haben uns gefragt, ob wir nicht Lust darauf haben. Und das hatten wir! Ich war den Großkonzern leid und Rebecca wollte sowieso wieder zurück nach Deutschland kommen. Wir haben schon immer gerne einen guten Wein genossen und der Weinkeller meines Vaters war auch stets gut gefüllt.

Es gibt viele Menschen, die gerne Wein trinken. Aber deswegen kommen trotzdem nicht alle auf die Idee, ein Weingut aufzubauen. Was war der ausschlaggebende Punkt?

Es war natürlich schon gewagt und viele haben uns für verrückt erklärt. Vor fünf Jahren wussten wir im Endeffekt alle noch gar nicht, wie Wein in eine Flasche kommt. Tatsächlich war es so, dass meine Mutter Immobilien liebt, die etwas älter und spezieller sind. Von einem Makler wurde ihr dieses Weingut in der Pfalz vorgestellt. Das war Liebe auf den ersten Blick, auch bei uns Schwestern. Es ist ein wunderschöner, großer Hof. Das Weingut war vorher schon über 100 Jahre im Besitz einer Familie. Das hatte so viel Charme, Charakter und Geschichte, einfach ein toller Ort.

Wir haben dann angefangen Stück für Stück alles zu renovieren: das Wohnhaus zuerst, zeitgleich mit dem Keller inklusive neuer Kellertechnik. Dann die Vinothek und jetzt haben wir noch eine große Eventscheune, wo man Feste feiern kann.

Du hast erwähnt, dass ihr wegen eurer Idee für verrückt erklärt wurdet?

Wenn wir jemandem von dem Weingut-Projekt erzählt haben, waren die Reaktionen fast immer zweigeteilt: Leute, die keine Ahnung von der Weinproduktion haben, sagen: „Wie cool ist das denn?“.

Aber diejenigen, die vom Fach sind, wie zum Beispiel Winzer, die haben alle gesagt „Wow, ihr seid ganz schön mutig!“. Jeder der weiß, was da auf einen zukommt und was dahintersteckt, hat gesagt wir wären verrückt als Quereinsteiger so etwas aufzubauen. Ein bisschen verrückt sind wir wahrscheinlich schon… (lacht).

Gerade am Anfang, wenn man so ein Weingut aufbaut, das ist echt schwierig, würde ich sagen. Es gibt über 20.000 Weingüter in Deutschland und kein Mensch wartet auf ein neues Weingut. Am Anfang hat es auch etwas gedauert bis jeder seinen Platz im Weingut gefunden hatte, also wer für was zuständig ist.

Das gesamte Weingut Bremer wurde umgebaut. Hier: die Weinbar vorher und nachher.

Glaubst du dieser Mut und das Unternehmergen wurde euch Schwestern in die Wiege gelegt?

Ich glaube schon, ja. Die Selbstständigkeit, selbst etwas bewirken, selbst etwas machen, das gefällt uns allen sehr gut. Ich war ja vorher bei einem Großkonzern mit gefühlt tausenden Hierarchien. Wenn man da irgendetwas angepackt hat, bis das dann von ganz oben abgesegnet war, hatte das gar nichts mehr mit dem ursprünglichen Thema zu tun. Das hat dann weniger Spaß gemacht. Genau deswegen fand ich den Gedanken, sein eigener Chef zu sein und seine Ideen zu verwirklichen, richtig gut. Und ich glaube das ging allen anderen genauso. Also ich denke schon, dass uns dieses Unternehmergen von Anfang an, weil wir es bei den Eltern so miterlebt haben, in die Wiege gelegt wurde.

An was erinnerst du dich noch aus der Kindheit?

Klar, unsere Eltern waren viel unterwegs. Aber das Büro war bei uns im Haus. Das war wirklich schön, weil die Eltern immer im Haus waren und wenn etwas war, konnte man immer hin. Man hat aber auch viele Themen und Gespräche mitbekommen. Wenn die Eltern zusammen ein Unternehmen leiten, dann wird auch viel besprochen, beim Essen zum Beispiel. Und so haben wir alle viel mitbekommen, ohne dass uns das so bewusst war.

Mit eurem Weingut Bremer seid ihr jetzt im fünften Jahr. Mittlerweile konntet ihr auch erste Preise abräumen. Wie habt ihr das geschafft?

Die Preise zu gewinnen war ein toller Erfolg, vor allem für uns als junges Weingut. Der deutsche Rotweinpreis ist recht renommiert in Deutschland. Dass wir da mit unserem Portugieser den ersten Platz belegt haben, hat uns schon sehr gefreut. Genauso stolz sind wir darauf, dass wir beim Rieslingchampion zum Newcomer des Jahres gekürt wurden.

Es ist ein ganz langer Prozess bis man seine Weinberge kennt. Jeder Weinberg ist anders: die Böden sind verschieden, die Trauben, jeder Jahrgang, wieviel Sonne, wieviel Regen. Man muss super viel lernen! Wie man mit den Trauben richtig umgeht, so dass das optimale Ergebnis herauskommt.

Hört sich komplex an. 

Ja, das ist es auch. Ich dachte anfangs: wir machen eben Wein. Das ist wie eine Soße kochen (lacht). Aber nein, das ist eine Kunst! Unser Oenologe, Michael Acker, den wir bei uns eingestellt haben, macht das schon seit jeher, bereits sein Opa war Winzer. Bisher war jedes Jahr immer wieder völlig anders. Ich dachte jedes Jahr: „So, jetzt haben wir aber alles einmal mitgemacht!“ Aber jedes Jahr passiert wieder etwas Neues: einmal hagelt es, dann ist es super trocken, ein anderes Mal regnet es zu viel. Mit der Natur zu arbeiten ist manchmal echt schwierig. Wir sind komplett machtlos, egal was das Wetter macht. Da muss man sich erstmal drauf einstellen. Ich denke, das war uns am Anfang nicht so ganz bewusst.

Es war uns auch nicht bewusst, wieviel Arbeit denn tatsächlich in so einer Flasche Wein steckt. Man stellt sich das ja so vor: da gibt‘s eben einen Rebstock, der wird einmal im Jahr geschnitten, dann wachsen die Trauben und werden geerntet. Aber wieviel Arbeitsschritte dahinterstecken und wieviel Handarbeit nötig ist, wenn man so einen hohen Qualitätsstandard erreichen will, das war uns überhaupt nicht bewusst.

Familie Bremer und Oenologe Michael Acker auf dem Weingut Bremer.

Seid ihr generell so ehrgeizig?

Klar, vom Niveau her wollen wir immer besser werden. Wir wollen jedes Jahr die Qualität steigern und in den Weinführern mehr Punkte erzielen. Es ist eines unserer Ziele, dass wir irgendwann mal mit dem Weingut Bremer zu den besten Weingütern Deutschlands gehören.

Als wir das Weingut übernommen haben, haben wir alles neu gemacht. Wir haben keinen Wein, keinen Kunden und auch nicht den Namen übernommen, weil das mit unserer Philosophie nicht gepasst hat. Wir lesen jetzt alles mit der Hand und haben den Ertrag stark reduziert. Dabei versuchen wir uns einfach sukzessive jedes Jahr zu steigern.

Sind eure Eltern auch noch im Weingut involviert?

Mein Vater ist der offizielle Geschäftsführer und ich würde ihn vielleicht als sowas wie unseren obersten Finanzminister bezeichnen. Er schaut über die Zahlen. Aber ansonsten, aus dem operativen Geschäft, halten sich beide Elternteile komplett raus. Im strategischen sind sie natürlich involviert. Wir besprechen vieles gemeinsam und können sie immer fragen. Für langfristige Entscheidungen diskutieren wir auch viel innerhalb der Familie.

Welche Rolle nimmst du dabei in der Familie ein?

Ich bin glaube ich eher der Ruhepol. Ich bin der optimistische Gute-Laune-Typ und sehr ruhig in meinem Wesen. Immer für einen Spaß zu haben. Ich versuche alle wieder zusammen zu holen und Ruhe reinzubringen, wenn nötig.

Und wie klappt das, mit der Familie zusammenzuarbeiten?

Naja, mal klappt es gut, mal ein bisschen schlechter. Jeder will immer überall mitquatschen. Ich glaube das ist das schwierige in so einem Familienunternehmen. Andererseits macht es aber genau das aus. Oftmals entstehen dadurch neue Ideen – manchmal ist es aber auch schwierig. Gerade im in meinem Bereich, dem Marketing, hat jeder eine Meinung. Ob die jetzt fundiert ist sei mal dahingestellt. Dahingegen bei meiner Schwester Rebecca, wie sie die Weinberge zu bearbeiten hat, da sind die anderen dann ruhig. (lacht)

Deine Schwester hat bereits einen Sohn und du erwartest auch demnächst einen Sohn. Werden eure Kinder auch etwas vom Unternehmergen abbekommen?

Ja, ich glaube schon ehrlich gesagt. Man wird sicher sehr geprägt von klein auf, seine eigenen Ideen zu verwirklichen. Und man erfährt dafür die Unterstützung von Zuhause. Ich glaube das ist schon etwas anderes, als wenn alle in der Familie angestellt sind. Man weiß einfach eher wie man eine Firma gründet, wie das alles abläuft. Der ganze Prozess und was dahinter steckt ist schon bekannt. Da ist vielleicht die Angst nicht so hoch, eine Selbstständigkeit zu forcieren. Das könnte ich mir durchaus vorstellen.

Gerade bei Weingütern wäre es natürlich auch toll, wenn sich da bei einem der Kinder ein Interesse entwickelt und sich eine Nachfolge ergibt. Die bekannten, erfolgreichen Weingüter gibt es schon seit 100 Jahren und mehr. Ich glaube die Witwe Veuve war es, die gesagt hat: „Die ersten 100 Jahre waren hart. Danach geht’s aufwärts!“. Bis man mit einem Weingut einen Namen etabliert hat, das ist ein wahnsinnig langer Weg. Klar wäre es daher schön, wenn die Kinder oder einer von ihnen das weiterführen wollen würde. Mein Neffe liebt schon mal das Traktor fahren, also da stehen die Chancen ganz gut (lacht).

Was hat dich in deiner Zeit mit dem Weingut Bremer geprägt?

Ich glaube, dass man nicht so voreilig oder voreingenommen sein sollte. Sondern offen für jeden und alle die da so kommen. Ich habe mittlerweile sehr viel Kundenkontakt. Das schöne ist in der Weinbranche: es sind immer irgendwie total nette Menschen. Gerade bei uns in der Pfalz, in unserem Dörfchen. Als Schwabe ist man ja eher etwas distanziert und reserviert, nach dem Motto: „zu meim Gartetörle kommscht du net nei!“ Da sind die Pfälzer so ganz anders, offen und hilfsbereit. In einem ganz trockenen Jahr, als wir versucht haben die Weinberge irgendwie zu wässern, hat unser Nachbar einfach seine Hilfe angeboten. Das war mega nett! Aber als Schwabe, und das ist wirklich schlimm, denkt man sich nur: „Warum macht er das? Und was will er dafür?“ Aber so denken die Pfälzer nicht. Das war sehr schön zu erfahren. Man lernt eben nicht aus.

Das Weingut Bremer heute.

Dein Einstieg in die Weinbranche mit dem Weingut Bremer ist ja nun auch noch nicht so lang her. Hast du einen Tipp, wie sich ein ganz normaler Weinliebhaber etwas tiefer in das Thema einarbeiten kann?

Ich glaube das erste und wichtigste ist, dass man die Angst vor dem Thema „Wein“ verliert. Viele meiner Freunde haben richtig Angst davor, weil es so umfangreich ist. Dann schämt man sich, vielleicht etwas Falsches zu fragen oder zu sagen. Was natürlich vollkommener Quatsch ist. Nehmen wir zum Beispiel den Geruch des Weines: da gibt es kein Richtig und kein Falsch. Wenn du selbst etwas riechst und wahrnimmst, kann niemand sagen, dass das nicht stimmt. Niemand kann sagen, wie und was du riechst. Wenn du die Erdbeere riechst und ich die Himbeere, dann ist das halt so. Da muss man einfach seine Scheu verlieren.

Und was uns tatsächlich ganz am Anfang geholfen hat: ein Sensorik-Seminar. Ich glaube das ist für alle die mal in dieses Thema reinschnuppern wollen richtig interessant. Kann man auch als Crashkurs machen. Da lernt man dann die Basics: wie können Weine schmecken, wie können sie riechen?

Meine Lieblingsbeschreibung war dabei die „nasse Tupperschüssel“ – jetzt muss man sich überlegen, wie riecht und schmeckt eine nasse Tupperschüssel? Da gibt es einige verrückte Beschreibungen. Vieles wird auch mit Leder beschrieben, gerade bei Rotweinen oft zutreffend. Aber würdest du aus einem Wein, einen „feuchten Pferdesattel“ herausriechen? Will ich, dass mein Wein nach einem feuchten Pferdesattel riecht? (lacht)

Die Lunor Kunden und Partner haben zu Weihnachten einen eurer Sekte, Blanc de Noir, geschenkt bekommen. Was erwartet sie bei diesem Sekt?

Die Prämisse für den Sekt der Weihnachtspräsente war, dass er richtig trocken ist. Zéro, also ohne Dosage. (Anm.: ohne Zucker) Das heißt, bei diesem Sekt wird nichts mehr zugesetzt. Er ist durchgegoren – und das war es dann quasi. Und Blanc de Noir bedeutet, dass es ein weißer Sekt ist, der aber aus einer roten Traube gewonnen wird. Also ein „Weißer aus Rot“. Viele denken ja, dass wenn die Traube rot ist, wird es auch ein Rotwein. Bei den Trauben ist aber tatsächlich oft nur die Schale rot und das Fruchtfleisch weiß. Da kann man auch mal bei den Trauben zum Essen selbst drauf achten. Was dem Rotwein aber die Farbe gibt, ist die Schale. Bei dem Blanc de Noir werden die Trauben nur gepresst. Der Sektgrundwein ist also weiß. Unser Blanc de Noir wird aus der Rebsorte Sankt Laurent hergestellt. Diese wird oft als kleiner Bruder des Spätburgunders beschrieben.

Deine Familie stammt aus und lebt zum Teil auch heute in Calw, unweit vom Lunor Firmensitz entfernt. Was bedeutet dir persönlich der Schwarzwald?

Heimat! Der Schwarzwald ist einfach Heimat für mich. Ich war eine Zeit lang in Amerika, Utah. Das ist primär Wüste. Dort habe ich unglaublich stark die Bäume, den Schwarzwald vermisst. Das war mir vorher nie so bewusst.

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