Elisabeth Berlin
Fotograf: Roman Knie
Ein Hotelbetrieb mit 125 Betten, 100 Mitarbeitern, drei Gastronomien (davon ein Sterne-Restaurant) und riesigem Wellnessbereich bedeutet Arbeit. Harte Arbeit. Das weiß auch Elisabeth Berlin, Tochter im Familienbetrieb. Mit ihren 33 Jahren leitet sie das Hotel Berlins KroneLamm in Zavelstein im Schwarzwald. Sie und ihre zwei Brüder führen das fort, was ihre Eltern einst in einer gepachteten Wanderhütte anfingen. Das Konzept des Familienbetriebes kommt an: heimatverbunden, Speisen aus der Region und eine große Portion heile Schwarzwald-Welt. Dahinter steckt jedoch ein minutiös durchgeplantes Unternehmen.
Elisabeth, verrate uns: wie baut man so einen großen und erfolgreichen Familienbetrieb auf? Wie fing das alles an?
Unsere Eltern kommen ursprünglich nicht aus Unternehmerfamilien. Mein Vater ist Sohn einer Flüchtingsfamilie aus Pommern und ist nur rein zufällig in Zavelstein gelandet. Die Eltern meiner Mutter sind ebenfalls geflüchtet, aus dem Osten. Beide haben dann eine Lehre in der Gastronomie gemacht und sich dort auch kennengelernt. Gemeinsam haben sie dann das Wanderheim, oben in Zavelstein, gepachtet. In ihrer Vorstellung war alles ganz einfach: ich war damals die Jüngste mit drei Jahren, mein ältester Bruder sechs Jahre alt. Der Vater sollte kochen und die Mutter tagsüber bedienen. Abends wollte sie dann nachhause zu uns Kindern kommen und der Papa schmeißt die Hütte alleine. Die Idee hat natürlich vorne und hinten nicht funktioniert! Dazu kam, dass das Konzept viel besser ankam als erwartet: die Gerichte waren schon damals nicht 0-8-15, stattdessen hat mein Vater eine durchdachte und hochwertige Speisekarte entworfen. So war das Wanderheim dann innerhalb kürzester Zeit in der Region bekannt.
An was erinnerst du dich noch aus der Anfangszeit im Wanderheim, aus deiner Kindheit?
Für mich war es glaube ich schon schwieriger und nicht ganz einfach. Meine Mutter war vorher immer zuhause und für uns Kinder da. Mit dem Wanderheim war das plötzlich nicht mehr möglich. Unsere Großeltern haben sich dann am Wochenende und in den Ferien immer gekümmert. Man wächst eben in Gastronomie auf: im Wanderheim wurde gegessen, Hausaufgaben gemacht, draußen auf dem Spielplatz oder am Waldrand gespielt. Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir viele Freiheiten hatten. Es gab zum Beispiel keinen Hausarrest und Zimmer aufräumen war auch kein Thema, da wir ja sowieso nur im Wanderheim waren. Ja, ich würde sagen, dass es eine gute Kindheit war.
Eure Eltern waren durch das Wanderheim immer viel eingespannt. Hat dich das mit deinen Brüdern zusammengeschweißt?
Nein, überhaupt nicht. Ich fand die doof! Meine Brüder haben gerne zusammengespielt, aber ich konnte sie nicht leiden. Wir sind sehr unterschiedliche Charaktere und ich bin da eher die Ruhigere, wollte einfach mal in Ruhe ein Buch lesen. Ich hatte halt keine Lust durch den Wald zu rennen. Ich finde es heute auch noch toll, stundenlang ein Buch zu lesen und brauche keine Action.
Trotzdem sind wir alle sehr eng miteinander aufgewachsen. Meine Brüder haben auf mich aufgepasst und wir haben uns schon in ganz jungen Jahren selbst ins Bett gebracht. Das hat super funktioniert und es hat den Familienzusammenhalt sehr gestärkt und geprägt.
Damals: das beschauliche Wanderheim. Heute: ein komfortables Wellnesshotel.
Foto: Roman Knie
Und wie sieht’s mit der Zusammenarbeit heute aus?
Wir versuchen eben alles aufzuteilen, damit jeder seinen Bereich hat, in dem man frei schalten und walten kann. Es ist unter Geschwistern nicht ganz so einfach, wenn man sich permanent abstimmen muss. Man kennt sich extrem gut. Ich würde zum Beispiel erkennen, wenn mein Bruder mich anflunkert oder mir etwas vormacht. Und vielleicht ist man nicht so neutral und freundlich einem Geschwister gegenüber wie anderen Mitarbeitern. Man muss aufpassen, dass es im Arbeitsalltag nicht zu viele Reibungen gibt. Es ist also für alle sehr angenehm, dass jeder seine klar getrennten Zuständigkeiten hat. Bei Grundsatzentscheidungen, die alle Abteilungen betreffen, sprechen wir aber immer intensiv miteinander.
Inwiefern sind eure Eltern noch im Unternehmen involviert?
Eigentlich nur noch im Hintergrund, obwohl meine Mutter immer noch überall herum werkelt und uns unterstützt wo sie kann. Mein Vater hat sich schon sehr in den Hintergrund zurückgenommen und lässt uns Kindern jetzt den Vortritt. Wir versuchen aktuell unsere Mutter öfter mal zu den Enkeln zu schicken, damit sie sich mehr zurückziehen kann und öfter aus dem Betrieb rauskommt.
Denkst du da auch schon an deine eigene Familienplanung?
Nein, erstmal wird nächstes Jahr geheiratet und parallel bauen wir gerade ein Haus. Da sind zwei Kinderzimmer eingeplant (lacht). Aber bisher war bei mir nie so ein ausgeprägter Kinderwunsch vorhanden, ich bin da einfach nicht so heiß drauf. Aber klar, Kinder gehören zum Leben für mich dazu.
Deine Brüder haben beide schon Kinder. Erkennst du deine eigene Kindheit in deinen Nichten und Neffen wieder?
Noch sind sie klein, zwischen zwei und vier Jahren, und wohnen etwas entfernt. Aber sie sind mehrfach pro Woche hier und besuchen ihre Eltern. Die Älteste ist sehr mutig und sieht das Hotel als einen riesigen Spielplatz: es gibt so viele Ecken zum Entdecken und Verstecken. In einem Gebäude mit 9 Stockwerken und zwei Aufzügen. Man hat quasi verloren bevor das Spiel angefangen hat (lacht). Die Kinder erleben zwar auch das Hotel und die Gäste, aber nicht so intensiv wie wir damals. Ich würde sagen, sie wachsen behüteter auf, aber lernen das Hotelleben trotzdem kennen mit allem was es so mit sich bringt: die Eltern haben nicht so oft frei und es gibt keine klassischen Wochenenden.
Wie ist es als Familie an so einem großen Projekt, dem gemeinsamen Unternehmen zu arbeiten?
Es braucht Eltern, die einem sehr, sehr viel Respekt untereinander beibringen. Das ist die Grundlage für jegliches Zusammenarbeiten, vor allem für uns im Betrieb. Dass man die anderen immer als Person respektiert. Als Person, aber auch als Kollege. Sollte das fehlen, würde alles auseinanderbrechen. Oder wenn man nicht respektiert, dass man unterschiedlich ist. Als Beispiel: Mein Bruder in der Restaurantleitung ist der absolute Workaholic. Der fängt morgens um 7 an und arbeitet dann noch an der Bar bis nachts um 2 Uhr – das könnte ich nicht. Ich würde tot umfallen. Oder mein Bruder Franz in der Küche: der ist eher kreativ und braucht seine Freiräume. Der braucht seine zwei freien Tage, Zeit mit seiner Tochter und er schläft morgens eher länger. Und wenn da schon der Respekt fehlen würde, dass man die Unterschiede nicht akzeptiert, dann wird’s ganz schwierig.
Gibt es da untereinander auch Konkurrenzdenken?
Ich würde sagen nein, aber man muss schon alles gut regeln. Wir arbeiten alle im gleichen Betrieb, also sind wir auch am Erfolg gleichermaßen beteiligt. Aber wenn dann einer innerlich eine Haltung aufbaut à la „aber ich trage doch viel mehr zum Erfolg bei. Das was ich mache, ist viel mehr Wert. Ich sollte eigentlich viel mehr beteiligt werden“ – wenn man anfängt so zu denken, dann ist das der Anfang vom Ende. Es ist ganz wichtig zu verinnerlichen, dass man nur gemeinsam das Ziel erreichen kann. Ich weiß, dass ich zum Beispiel nicht kochen kann oder dass ich nicht permanent gut in der Gästebetreuung wäre. Und deswegen brauche ich beide meiner Brüder. Wir wissen alle, dass das Hotel nur mit uns gemeinsam, als Team funktioniert.
Sprecht ihr denn dann auch offen über solche Themen, dass sich zum Beispiel jemand unfair behandelt fühlt?
Ja, aber nicht permanent. Das sind natürlich nicht so angenehme Themen. Aber wir haben jetzt erst vor zwei Jahren wieder einen neuen Gesellschaftervertrag aufgesetzt und das finde ich auch ganz wichtig, dass wir uns dafür viel Zeit nehmen. Auch um grundsätzliche Dinge zu klären: Was passiert, wenn jemand von uns nicht mehr will? Oder kann? Was tun wir dann? Wie regeln wir so etwas rechtlich?
Die rechtliche Seite ist nur die eine Seite – wie regelt ihr das in der Familie?
Genau, es gibt zum einen das Unternehmen, aber es gibt auch uns als Familie. Und wir haben immer versucht, uns als Familie übergeordnet anzusehen. Was ganz schwierig ist, weil das Unternehmen bei uns allen eine sehr große Bedeutung hat. Wir versuchen aber immer erstmal die Familie zu schützen und erst auf zweiter Ebene das Unternehmen. Und im Zweifel dann zum Beispiel ein Ausscheiden eines Familienmitgliedes zuzulassen, um die Familie zu schützen. Also wenn jemand nicht mehr kann oder möchte, wird er immer Teil der Familie bleiben, auch wenn das Unternehmen dann anders aufgestellt ist.
Die drei Generationen der Familie Berlin
Foto: Roman Knie
Gab es denn mal diesen Moment, dass du etwas ganz anderes machen wolltest?
Also wenn überhaupt, dann wäre das etwas ganz außerhalb der Hotellerie. Früher wollte ich nie in diese Branche. Ich konnte es mir damals nicht vorstellen, immer so viele Menschen um mich herum zu haben, sondern genoss lieber die Zeit für mich alleine. Ich habe mir natürlich auch andere Bereiche angeschaut, zum Beispiel ein längeres Praktikum beim Steuerberater. Das war auch eine tolle Arbeit, aber einfach nichts, was mich erfüllte.
Als ich anfing im Hotel als Aushilfe zu jobben, bemerkte ich, dass es ganz viel schöne Seiten gibt. Und das war im Wesentlichen die Zusammenarbeit mit dem Team, was ich in der Art in keiner anderen Branche jemals erlebt habe. Manchmal gibt es ganz heftige Arbeitstage mit extrem viel Stress und abends sitzen dann alle zusammen, trinken ein Bier und die ganze Anspannung fällt ab. Da geht man dann trotz allem gut gelaunt nach Hause obwohl man nicht mal mehr laufen kann vor lauter Rennerei den ganzen Tag. Das gab mir einfach ein gutes Gefühl. Oder auch spezielle Momente mit den Gästen.
Sind dir da bestimmte Begegnungen noch in Erinnerung?
Ja klar, wenn die Gäste mich umarmen, wenn sie immer wieder kommen und anfangen zu weinen, weil sie wieder mal hier sind und einen lange nicht gesehen haben. Oder man merkt, dass man hier für Menschen einen Ort erschaffen hat, an dem sie glücklich sein können. Ich finde das immer total faszinierend, denn wir haben Menschen mit unvorstellbaren Geschichten hier. Vor kurzem hatten wir ein Paar hier, deren Kinder kurz zuvor verunglückt sind. Die brauchten einfach mal etwas Zeit für sich als Paar, aber haben uns das vorher erzählt. Für mich war es schön zu sehen, wie sehr sie die Auszeit genossen und Kraft getankt haben. Das macht die Arbeit natürlich ganz besonders, wenn man weiß, dass man selbst und das eigene Unternehmen so etwas bewirken kann.
Was würden deine Mitarbeiter denn über dich sagen?
Oh… ich glaub die mögen mich (lacht). Mh, im Ernst, das sollte ich sie wohl mal fragen. Mein Vater hat mal gesagt, ich sei eine knallharte Geschäftsfrau mit großem Herz. Und ich glaube das trifft es schon ganz gut. Ich bin voll in meinem BWL-Studium aufgegangen und liebe Zahlen. Gleichzeitig enden Zahlen aber auch an einem gewissen Punkt. Und das Wohl unserer Mitarbeiter ist mir eine ganz hohe Priorität. Und ich glaube, dass man den Mitarbeitern immer als Person gegenübertreten sollte, die sie respektieren können und mit denen sie gleichzeitig gerne in einem Raum zusammenarbeiten.
Ihr lebt und arbeitet dort, wo andere Urlaub machen. Wenn ihr Freizeit habt, wie sieht die aus?
Früher wollte ich immer weit weg. Da musste mindestens ein Ozean zwischen mir und dem Hotel sein. Heute ist das anders, wir verbringen unsere Ferien meistens auf Usedom mit der Familie meines Partners. Hier in der Region ist einer unserer Lieblingsplätze auf dem Sommerberg in Bad Wildbad.
Was bedeutet für dich der Schwarzwald?
Ich muss sagen, ich bin ja hier aufgewachsen, also von Herzen Nordschwarzwälderin. In den letzten Jahren liebe ich den Schwarzwald umso mehr: ich unterhalte mich ja oft mit den Gästen und viele erzählen, dass sie starke Probleme mit Trockenheit und Hitzewellen haben mit nachts noch fast 30°C. Und da denke ich mir immer: wir haben es ja echt gut hier.
Wir wohnen in einer unheimlich schönen Region, wir haben jetzt selbst in diesem trockenen Sommer grüne Wiesen und Wälder. Du gehst in den Wald und es ist einfach frisch und feucht und alles blüht und gedeiht hier. Ich meine, diese Hitzephasen hatten wir auch, aber da war‘s dann einfach mal ein paar Tage tagsüber sehr heiß, aber in einem Bereich, dass man es noch genießen konnte. Da wohnen wir doch noch in einer sehr gesegneten Region. Und vor allem hier die Ecke mit der Nähe zu Stuttgart, zu Pforzheim, zu Karlsruhe: man ist nicht völlig ab vom Schuss. Wenn wir Lust haben können wir abends für ein paar Cocktails nach Stuttgart fahren.
Wie sehen das die Gäste?
Die Gäste sehen das unterschiedlich. Es gibt natürlich auch welche, die sagen, dass wir hier total verlassen leben. Man könne hier nicht einkaufen, hier sei nix los. Ich verstehe das dann gar nicht. Ich habe hier alles was ich brauche. Es gibt Ärzte, Schulen, Kindergärten und vor allem Vereine, die zusammenhalten. Man hat einfach ein schönes Miteinander. Und die allermeisten Gäste sagen: hier ist noch ein kleines Fleckchen heile Welt. Und Zavelstein ist ja auch so ein süßes Örtchen mit den Fachwerkhäusern. Gleichzeitig haben wir tolle Industriebetriebe in der Region. Unsere Gemeinde wächst und entwickelt sich. Da muss man keine Angst haben als Rentner abgehängt zu werden. Auch die jungen Leute sehen hier Zukunft.
Mehr zum Hotel Berlins KroneLamm: www.berlins-hotel.de
Das Hotel Berlins KroneLamm liegt nur 20 Minuten vom Lunor Firmensitz entfernt. Die beiden Firmen eint aber mehr, als nur der idyllische Standort im Schwarzwald: Elisabeth Berlin hat gemeinsam mit Sophie Fux, Vorsitzende des Aufsichtsrat der Lunor AG, die Schulbank gedrückt. Beide Frauen sind Töchter in einem Familienbetrieb. Trotz der unterschiedlichen Branchen gibt es viele gemeinsame Herausforderungen und Erfahrungen.
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